2. Juni 2023
Anaphylaxie bei Kindern: Den allergischen Schock erkennen, helfen, Todesfälle vermeiden

Die gemeinnützige Stiftung ECARF engagiert sich sich seit 20 Jahren für Menschen mit Allergien und die Verbesserung ihrer Lebensqualität. So beispielsweise mit der Prüfung, Zertifizierung und Vergabe des international gültigen ECARF-Allergiesiegels für Produkte wie Kosmetika und Reinigungsmittel, Gebäude wie Schulen und Bürohäuser und Dienstleistungen wie beispielsweise Caterings.

Allergien sind weltweit die häufigste chronische Erkrankung.: Über 30% aller Menschen in Deutschland leiden unter Allergien. Die Folgen von allergischen Erkrankungen sind gravierend. Rund 30.000 Jugendliche brechen bundesweit aufgrund einer Allergie ihre Ausbildung ab. Schulkinder mit einem unbehandelten Heuschnupfen leben mit einer 40-prozentigen Wahrscheinlichkeit, während der Pollensaison eine ganze Note in der Schule abzufallen. Allergien sind die häufigste chronische Erkrankung in unserer Gesellschaft mit ebenfalls der längsten Dauer. Oft sind Menschen von der Kindheit bis ins hohe Alter hinein betroffen. Ein besonders hohes Risiko für allergische Erkrankungen haben Kinder, deren Eltern ebenfalls von einer Allergie betroffen sind: Hat bereits ein Elternteil eine Allergie, so liegt das Risiko des Kindes an einer Allergie zu erkranken bei 40 Prozent. Haben beide Eltern die gleiche Allergie, so erhöht sich das Allergierisiko des Kindes auf 60 bis 80 Prozent.

Allergien senken die Leistungsfähigkeit maßgeblich

Bereits ein nicht erkannter und damit unbehandelter Heuschnupfen führt statistisch dazu, dass ein Schulkind mit 40-prozentiger Wahrscheinlichkeit in den Monaten des Pollenfluges um eine ganze Note abfällt. Müdigkeit und massive Konzentrationsschwächen sind nur einige der Symptome. Unbehandelte Allergien führen zu einem deutlichen Verlust an Lebens- und Lernqualität. Asthma, das zu Einschränkungen im Sportunterricht führt, oder Lebensmittelallergien, die Schwierigkeiten bei einer Klassenreise mit sich bringen, sind nur einige wenige Beispiele. Es gibt aber auch Allergien, die lebensbedrohliche Folgen haben können.

Der gefürchtete Notfall: Allergischer Schock

Lebensmittelallergien können tödlich sein. Oft sind Spuren von unerwarteten Verunreinigungen die Auslöser. Die Erdnussflocken, die beim Klassenfest versehentlich auf dem Teller mit den anderen Keksen gelegen haben, die selbstgebackenen Plätzchen vom Klassenkameraden, die doch mit Haselnussspuren verunreinigt waren. Die Folge kann ein sogenannter allergische Schock sein, ob als Reaktion auf Nahrungsmittel oder Insektengifte, der eine schnelle Hilfe erfordert. Es bleiben oft nur fünf Minuten.

Schätzungen zufolge treten zwischen zehn und 18 Prozent aller Reaktionen auf Lebensmittelallergien oder Anaphylaxien in der Schule auf. Bei 24 Prozent der Kinder mit einer Vorgeschichte von Anaphylaxie tritt der erste Anfall meist in der Schule auf.

In der Ersten Hilfe kann man nichts falsch machen – es sei denn, man tut nichts

Das lebensrettende Medikament bei einem allergischen Schock ist Adrenalin, verfügbar in einem Autoinjektor für Erwachsene und Kinder. Es wird üblicherweise dann verordnet, wenn aufgrund einer Allergie im Notfall mit schweren allergischen Schockreaktionen gerechnet werden kann. Auch bei Kindern. Dieser sogenannte Adrenalin-Autoinjektor (AAI) kann auch von Laien als Injektion durch die Kleidung hinweg in den Oberschenkel verabreicht werden. Ähnlich wie die Anwendung von Defibrillatoren durch Laien lebensrettend sein kann, gilt dies auch für Adrenalin beim allergischen Schock. Voraussetzung in beiden Fällen ist der einmal gelernte Umgang mit den lebensrettenden Hilfsmitteln. Die Erfahrung zeigt aber, dass der AAI oft nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Adrenalin kann auch von Personen, die nicht im Gesundheitswesen tätig sind, mit Hilfe eines Adrenalin-Autoinjektors sicher in den Muskel gespritzt werden. Erste Hilfe-Schulungen (in denen bundesweit das Thema „allergischer Schock“ sowieso standardmäßig unterrichtet wird), auch speziell für Pädagogen und Erzieher, Schulungsmaterial sowie bebilderte Handlungsanweisungen über den korrekten Einsatz und zur Vorbeugung einer unbeabsichtigten Injektion und ähnlich der Bildsprache auf einem Frühdefibrillator, würden hierbei unterstützen

Für eine verbesserte medizinische Versorgung von Anaphylaxie-gefährdeten Kindern in Deutschland wäre es daher hilfreich, die Verschreibungspflicht für Adrenalin-Autoinjektoren insoweit anzupassen, dass öffentliche Einrichtungen und Plätze (wie zum Beispiel Kitas, Schulen, Schwimmbäder, öffentliche Verkehrsmittel usw.) diese beziehen und vorhalten dürfen. Mit der Entwicklung und dem Bau einer sogenannten „Adrenalin-Notfallbox“, in der sich ein Adrenalin-Pen inklusive Notfallbeschreibung befindet, wurde eine Lösung entwickelt, die an den Stellen etabliert wird, wo bereits auch schon ein Defibrillator angebaut ist, beispielsweise im Schulsekretariat, in den Schulgängen, oder den schulischen Veranstaltungsräumen wie einer Turnhalle.

In Kooperation mit kardiologischen Gesellschaften erarbeitet die Stiftung ECARF zur Zeit ein Konzept, das die Wartung der Defibrillatoren parallel mit der Überprüfung der Adrenalin-Autoinjektoren möglich machen soll.